





KAPITALVERSCHIEBUNG
Für das Museum Hallen für Neue Kunst in Schaffhausen installierte Beuys eine Arbeit mit dem Titel „Das Kapital Raum 1970 – 1977“, die er ursprünglich 1980 für den zentralen Raum des internationalen Pavillons der Biennale von Venedig geschaffen hatte. Beuys hatte die Originalfassung des dreibändigen Werks gelesen.
Prägend für die raumgreifende Installation „Das Kapital Raum 1970 – 1977“ sind Schiefertafeln mit Kommentaren zum Kapital. Der Installation für Schaffhausen vorausgegangen war ein aufwendiger Umbau einer ehemaligen Textilfabrik. Die für die Hängung der Tafeln nötige Raumhöhe von acht Metern wurde durch das Herausschneiden eines Teils des Bodens zwischen dem zweiten und dritten Geschoss erreicht. So ließ sich die Arbeit für die neu geschaffenen Räumlichkeiten realisieren und die Hallen für Neue Kunst konnten 1984 eröffnet werden.
Existiert diese Installation einmalig, so gibt es das marxsche Werk millionenfach. Es scheint nicht übertrieben zu behaupten, dass es – neben der Bibel – nur wenige Publikationen gibt, die so bekannt sind wie Marx‘ Kapital. Das Kapital hat nie aufgehört, sich weiterzuentwickeln, weder die Rezeption des Buches, noch das Kapital selbst. Die Stadt Schaffhausen konnte sich glücklich schätzen, diese Interpretation von „Das Kapital“ und eine Arbeit von Beuys „ihr Eigen“ zu nennen. In einem so geldbewussten Land wie der Schweiz war die Installation bestens aufgehoben, so könnte man meinen … Aber eines Tages verliebte sich ein Namensvetter von Karl Marx, Erich Marx, in Beuys’ „Das Kapital Raum 1970-1977“ und kaufte es. Er war nicht bereit, die drei Bände „Das Kapital“ zu lesen, weil ihn das aus verschiedenen Gründen teuer zu stehen gekommen wäre. Er übergab das Werk als Dauerleihgabe, und ab 2022 schließlich als Schenkung, an die Nationalgalerie der Staatlichen Museen zu Berlin. Der damalige Direktor des Hamburger Bahnhofs in Berlin, Udo Kittelmann, soll nützliche Erwerbserfahrungen bei eBay gesammelt haben. Die Stiftung für Neue Kunst in Schaffhausen klagte gegen den Verkauf, doch das Obergericht Schaffhausen bestätigte, dass die Crexart AG Eigentümerin des Beuys-Werks sei und darüber verfügen könne. Man muss bedenken, dass Schaffhausen mehr als 30 Jahre lang ein Vermögen für die Installation, die Schaffung baulicher Voraussetzungen, den Unterhalt und die Präsentation des Werks ausgegeben hatte. Zudem ist fraglich, ob nicht das Urheberrecht verletzt wurde, da Beuys die Arbeit für den Raum weiterentwickelt hatte. „Das Kapital Raum 1970-1977“ wurde also aus den Hallen für Neue Kunst entfernt, das Museum wurde geschlossen.